Vor dem LSG Baden-Württemberg (Urt. v. 20.4.2021 – L 9 BA 1381/18) stritten die Parteien darüber, ob ein freiberuflicher IT-Berater in Wahrheit abhängig beschäftigt war und daher dem Sozialversicherungsregime unterfiel.
Der IT-Berater hatte einen Dienstvertrag mit einem Beratungsunternehmen für die Automobilbranche abgeschlossen. Dieses Beratungsunternehmen wiederum hatte sich aufgrund eines Rahmenvertrags „CAx-Managed Service“ zur Erbringung von IT-Leistungen gegenüber der D-AG verpflichtet. Es setzte den IT-Berater als Subunternehmer ein. In einem Dienstvertrag hatten die Parteien die zu erbringenden Dienstleistungen näher beschrieben und dafür eine Vergütung nach Stunden i. H. v. 56 Euro Stundensatz vereinbart, maximal jedoch 1.680 Stunden pro Jahr. Sowohl das Beratungsunternehmen als auch der IT-Consultant beantragten im Wege eines Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a SGB IV die Feststellung, dass keine abhängige Beschäftigung vorliegt.
Sowohl die erste als auch die zweite Instanz bestätigten, dass der Kläger selbstständig tätig war. Das Gericht prüfte gem. der ständigen Rechtsprechung, ob der IT-Consultant
- in den Betrieb des Beratungsunternehmens oder aber der D-AG eingegliedert war und dabei
- einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsleistungen umfassenden Weisungsrecht des Auftraggebers unterlag.
Ausgangspunkt der Prüfung sind die Vereinbarungen, die die Beteiligten getroffen haben. Sodann muss festgestellt werden, ob diese auch in der vereinbarten Weise praktiziert wurden. Das Gericht stellte zunächst fest, dass die vereinbarten Beratungs- und Dienstleistungen im Projekt CAx-Managed Service nicht nur im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, sondern grundsätzlich auch als freie Mitarbeit möglich sind. Dabei ist nicht entscheidend, ob der freie Berater auch für andere Auftraggeber tätig ist oder war. Im Einzelnen umfasste die Dienstleistung den Support bei der Implementierung/Weiterentwicklung standardisierter IT-Prozesse, die Durchführung definierter Use-Cases, die Aktualisierung von Dokumentationen, die Einführungsberatung und methodische Beratung der Gesamtfahrzeug-konstruktion sowie die Beantwortung von Fragen zur Systemumstellung im Rahmen einer Hotline bzw. eines Ticketing-Systems. In dieses System konnte sich der IT-Experte jederzeit einbuchen, er war in seiner Arbeitszeit frei. War er nicht erreichbar, blieben die seinen Bereich betreffenden Fragen entweder liegen oder ein anderer Mitarbeiter des Auftraggebers versuchte, die Anfrage zu beantworten. Der Umstand, dass der IT-Consultant aufgrund von Sicherheitsvorgaben der D-AG ein Laptop des Endkunden nutzte und auch die verwendete Software durch den Endkunden gestellt wurde, war nicht abträglich. Der freie Mitarbeiter hatte die Möglichkeit, eigenes qualifiziertes Personal einzusetzen. Ein unmittelbares Weisungsrecht des Auftraggebers ihm gegenüber war vertraglich ausgeschlossen und er haftete gegenüber dem Auftraggeber für die durch ihn oder seine Mitarbeiter verursachten Schäden.
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Das Gericht sah in der Konstruktion auch keine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung, denn die Verpflichtung des Beratungsunternehmens gegenüber der D-AG erschöpfte sich nicht in der Zurverfügungstellung des Klägers als Arbeitnehmer. Die Vertragsparteien sind im Dienstvertrag ausdrücklich von einer selbstständigen Tätigkeit ausgegangen. Die vertraglichen Verpflichtungen wurden auch so gelebt, wie sie vereinbart waren. So war der Kläger nicht verpflichtet, an Meetings oder Besprechungen mit weiteren Mitarbeitern des Auftraggebers teilzunehmen, sondern konnte seine Arbeit frei gestalten, indem er sein Expertenwissen zum Einsatz brachte. Dass er den Ort der zu erbringenden Leistung nicht frei wählen konnte, da er aufgrund der Sicherheitsvorgaben des Endkunden diese in dessen Räumlichkeiten erbringen musste, folgt aus der Natur der Sache, insbesondere auf den seitens des Endkunden vorgegebenen Sicherheitsvorkehrungen und ist kein zwingendes Indiz für eine abhängige Beschäftigung. Soweit er Leistungsnachweise zu erstellen hatte, ist dies bei selbstständiger Tätigkeit und bei Bezahlung nach geleisteten Stunden nicht unüblich und diente der Abrechnung.
Ein fachliches Weisungsrecht bestand bereits deswegen nicht, weil die vereinbarten Beratungs- und Dienstleistungen gerade auf den Spezialkenntnissen beruhten. Für eine durch umfangreiche Spezialkenntnisse bedingte Unabhängigkeit des Klägers sprach aus Sicht der Richter auch der relativ hohe Stundensatz i. H. v. 56 Euro. Aufgrund geänderter gesellschaftlicher und technischer Rahmenbedingungen sei kennzeichnend für eine betriebliche Eingliederung in die Arbeitsorganisation eines Auftraggebers bei Tätigkeiten, die keine fachlichen Weisungen erfordern, die Steuerung des Arbeitsablaufs durch organisatorische und koordinierende Maßnahmen durch den Auftraggeber, jedenfalls dann, wenn die zu beurteilende Tätigkeit Teil eines größeren Projekts ist, das der Auftraggeber von einem Endkunden übernommen hat. In diesem Bereich ist es möglich, Teile des Auftrags an Subunternehmer zu vergeben, die ihrerseits wiederum selbstständig tätig werden. Es genügt dann, wenn der Auftraggeber seinem Subunternehmer einen Rahmen vorgibt.
Auch die Vergütung auf Stundenbasis war kein ausschlaggebendes Indiz für eine abhängige Beschäftigung. Wenn es um eine reine Dienstleistung geht, ist anders als bei der Erstellung eines materiellen Produkts ein erfolgsabhängiges Entgelt aufgrund der Eigenheiten der zu erbringenden Leistung nicht zu erwarten. Außerdem ist bei reinen Dienstleistungen, die im Wesentlichen nur
- Know-how,
- Arbeitszeit und
- Arbeitsaufwand
voraussetzen, unternehmerisches Tätigwerden nicht mit größeren Investitionen in Arbeitsgeräte oder Arbeitsmaterialien verbunden. Entsprechendes gilt für die Frage einer Betriebsstätte. Ihr Fehlen ist nur dann von Bedeutung, wenn sie bei Tätigkeiten der fraglichen Art zu erwarten oder notwendig ist.
Dr. Claudia Rid
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