Stufenzuordnung – einschlägige Berufserfahrung

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 Bild: deagreez/ stock.adobe.com
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Die Beklagte hatte den Kläger bei seiner Einstellung der Stufe 1 der Entgeltgruppe 11 TVöD zugeordnet. Der Kläger sah dies anders und begehrte die Zuordnung zur Stufe 5. Maßgebend sei, ob er in der früheren Tätigkeit einen Kenntnis- und Fähigkeitenzuwachs erworben habe, der für die nach der Einstellung konkret auszuübenden Tätigkeit erforderlich und prägend sei und ihm damit weiterhin zugutekomme. Es könne Konstellationen geben, in denen die Berücksichtigung der Berufserfahrung trotz niedrigerer Eingruppierung der vorherigen Tätigkeit geboten sei. Der Kläger legte damit jedoch nicht dar, dass seine früheren Tätigkeiten der Entgeltgruppe 9c TVöD (VKA) entsprochen hätten. Das LAG Niedersachsen (Urt. v. 28.1.2025 – 10SLa254/24E; rk.) hat die Berufung des Klägers gegen die Entscheidung des ArbG Oldenburg zurückgewiesen.Für das Vorliegen einschlägiger Berufserfahrung i. S. v.§ 16Abs. 2TVöD sei allein maßgebend, ob die frühere Tätigkeit fachliche Anforderungen gestellt hat, die den Entfall einer Einarbeitungszeit erwarten lassen. Das sei regelmäßig nicht nur dann der Fall, wenn die frühere Tätigkeit im Wesentlichen unverändert fortgesetzt wird, sondern auch dann, wenn sie gleichartig war und zwischen früherer und nunmehriger Tätigkeit eine eingruppierungsrechtliche Gleichwertigkeit besteht. Der Beschäftigte muss einen Kenntnis- und Fähigkeitszuwachs erworben haben, der für die nach der Einstellung konkret auszuübenden Tätigkeit erforderlich und prägend ist und ihm damit weiterhin zugutekommt.

Dies setze grundsätzlich voraus, dass der Beschäftigte die Berufserfahrung in einer Tätigkeit erlangte, die in ihrer eingruppierungsrechtlichen Wertigkeit der Tätigkeit entspricht, die er nach seiner Einstellung auszuüben hat. Nach der Vorstellung der Tarifvertragsparteien versetzt die in früheren Arbeitsverhältnissen erworbene Berufserfahrung den Beschäftigten nur dann in die Lage, ohne nennenswerte Einarbeitungszeit die Tätigkeit beim neuen Arbeitgeber auszuüben, wenn die Vorbeschäftigung qualitativ im Wesentlichen die gesamte inhaltliche Breite der aktuellen Beschäftigung abdeckt und deshalb einschlägig ist.

Im Gegensatz zum Eingruppierungsrecht sei allerdings die zeitliche Zusammensetzung der früheren Tätigkeit für das Stufenzuordnungsrecht nicht von entscheidender Bedeutung. Erhöhe sich nur der Zeitanteil einer bereits zuvor ausgeübten Tätigkeit und führt das eingruppierungsrechtlich zu einer höheren Entgeltgruppe, liegt darum grundsätzlich einschlägige Berufserfahrung auch in der neuen Entgeltgruppe vor. Grundsätzlich können darum auch eine mit weniger als der Hälfte der regulären Arbeitszeit ausgeübte Vorbeschäftigung oder weniger als die Hälfte der bisherigen Tätigkeit einnehmende Aufgaben einschlägige Berufserfahrung i. S. v.§ 16Abs. 2TVöD vermitteln. Es muss dann im Einzelfall beurteilt werden, ob der zeitliche Umfang der Vorbeschäftigung oder Aufgaben so gering war, dass der Erwerb einschlägiger Berufserfahrung nicht mehr angenommen werden kann, weil das volle Spektrum der Anforderungen der neuen Tätigkeit nicht abgebildet worden ist.

Für die Praxis: Es kommt weder auf einschlägige Berufserfahrung in Arbeitsvorgängen noch auf eine zeitlich überwiegende Tätigkeit mit entsprechender Berufserfahrung an – vielmehr reichen auch zeitlich kleinere Tätigkeitsanteile aus, die – soweit sie einschlägige Berufserfahrung beinhalten – für die nachfolgende Einstellung relevant sind.

Sebastian Günther

Sebastian Günther
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Partner, GÜNTHER · ZIMMERMANN Rechtsanwälte, Berlin
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Stufenzuordnung – einschlägige Berufserfahrung
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