Überstundenvergütung – Darlegungs- und Beweislast

1105
 Bild: Mark/stock.adobe.com
Bild: Mark/stock.adobe.com

Vor dem LAG Niedersachsen stritten die Parteien über eine Überstundenvergütung i. H. v. rund 50.000 Euro brutto. Die Klägerin war als kaufmännische Angestellte beschäftigt. Die Beklagte betreibt eine Kfz-Werkstatt und handelt mit Gebrauchtfahrzeugen. Sie beschäftigte im streitgegenständlichen Zeitraum drei Arbeitnehmer, davon zwei Kfz-Mechaniker. Arbeitsvertraglich war eine Wochenarbeitszeit von 24 Stunden vereinbart. Der Klägerin oblag u. a. die durchgehende Telefonannahme für Werkstatt, Büro und Verkauf und die durchgehende Terminvergabe für die Werkstatt und den Ersatzteilverkauf. Die Öffnungszeiten der Werkstatt waren Montag bis Donnerstag von 8:00 bis 18:00 Uhr, freitags war um 17:00 Uhr Geschäftsschluss. Die Klägerin trug vor, sie habe täglich während der Öffnungszeiten mit einer Stunde Pause sowie an Samstagen nach Vereinbarung von 9:00 bis 12:00 Uhr gearbeitet. Die Beklagte bestritt dies und trug vor, sie habe Überstunden weder angeordnet noch geduldet. Sie müsse sich die Leistung von Überstunden nicht aufdrängen lassen.

Während die erste Instanz die Klage abwies, hatte diese in der zweiten Instanz überwiegend Erfolg (LAG Niedersachsen, Urt. v. 9.12.2024 – 4 SLa 52/24).

Das Gericht sah einen Anspruch auf Überstundenvergütung in Umfang von 20 zu vergütenden Wochenstunden für den Zeitraum 2020 bis 2022 als begründet an. Der Anspruch auf Überstundenvergütung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer Arbeit in einem die vereinbarte Normalarbeitszeit übersteigenden Umfang erbracht und der Arbeitgeber die Leistung von Überstunden veranlasst hat oder sie ihm zumindest zuzurechnen ist. Für beides trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast. Er muss vortragen, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers bereitgehalten hat. Die Klägerin hatte Kalendereintragungen zur Arbeitszeit vorgelegt, die ihre Arbeitszeit werktäglich von 8:00 bis 18:00 Uhr mit einer Stunde Pause auswiesen. Diese Arbeitszeiten korrespondierten mit den Betriebsöffnungszeiten der Werkstatt. Deren Inhaber war dem Vorbringen nicht substantiiert entgegengetreten, sondern bestritt lediglich, dass Arbeit in diesem Umfang geleistet wurde. Dass die Beklagte keine Arbeitszeitaufzeichnungen gefertigt hat, muss sie sich im Rahmen ihrer substantiierten Erwiderungslast entgegenhalten lassen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitszeiten zu erfassen und ein System zur Erfassung der täglich geleisteten Arbeitszeit einzuführen, das Beginn und Ende und damit die Dauer der Arbeitszeit einschließlich der Überstunden erfasst. Hätte der Arbeitgeber ein solches System eingeführt, wäre er in der Lage, dem konkreten Vorbringen der Klägerin zu ihrer Arbeitszeit ein konkretes Vorbringen entgegenzusetzen. Die Überstunden waren auch von dem Unternehmen veranlasst. Dieses hatte der Klägerin Arbeit zugewiesen, die während der gesamten Betriebsöffnungszeiten permanent anfällt, u. a. die durchgehende Telefonannahme für Werkstatt, Büro und Verkauf sowie die durchgehende Terminvergabe. Als einzige Büroangestellte und Lageristin konnte somit nur die Klägerin diese Arbeit erbringen. Somit war jedenfalls von einer Duldung der Überstunden durch die Beklagte auszugehen.

Das Gericht ließ die Revision zum BAG wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.

Dr. Claudia Rid

Dr. Claudia Rid
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht, CMS Hasche Sigle, München
AttachmentSize
Beitrag als PDF herunterladen136.68 KB

· Artikel im Heft ·

Überstundenvergütung – Darlegungs- und Beweislast
Seite 53
Frei
Bild Teaser
Body Teil 1

Vor dem LAG Niedersachsen stritten die Parteien über die Gewährung einer zusätzlichen bezahlten Pause unter dem Gesichtspunkt einer

Frei
Bild Teaser
Body Teil 1

Immer wieder muss sich die Rechtsprechung mit der Frage auseinandersetzen, wann ein Arbeitnehmer gegen seinen Arbeitgeber Anspruch auf

Frei
Bild Teaser
Body Teil 1

Immer wieder muss sich die Rechtsprechung und insbesondere die höchstrichterliche Rechtsprechung des BAG mit dem Problem der

Premium
Bild Teaser
Body Teil 1

Problempunkt

Der Kläger war im Einzelhandelsunternehmen der Beklagten als Auslieferungsfahrer beschäftigt. Die Arbeitszeit wurde durch

Premium
Bild Teaser
Body Teil 1

Eigene duale Studentenausbildung

Ein beliebtes und oft genutztes Mittel ist die Einstellung eigener Studenten, z. B. in dualen Studiengängen. Der

Frei
Bild Teaser
Body Teil 1

Einem Mitarbeiter in einer Gießerei wurde der Vorwurf gemacht, er habe an drei konkreten Tagen einen Arbeitszeitbetrug begangen. Er habe