Eine 56 Jahre alte Arbeitnehmerin war seit dem 1.7.2019 zu einem Bruttoentgelt von monatlich 3.000 Euro beschäftigt. In der Zeit vom 1.7.2020 bis 17.7.2020 befand sie sich im Urlaub. Am Samstag, den 18.7.2020 erkrankte sie und wurde stationär in ein Krankenhaus aufgenommen. Der stationäre Aufenthalt dauerte bis zum 18.9.2020. Streitig ist, ob die Freundin der Klägerin bzw. deren Tochter die Geschäftsführerin der Arbeitgeberin davon informiert hatte. Mit Schreiben vom 4.8.2020 erkundigte sich das Unternehmen nach dem Verbleib und monierte, dass eine Krankschreibung bislang nicht vorliege und dass die Mitarbeiterin weder per E-Mail noch telefonisch erreichbar sei. Jedenfalls mit E-Mail vom 10.8.2020 informierte der Sozialdienst des Krankenhauses die Arbeitgeberin darüber, dass sich die Mitarbeiterin seit dem 18.7.2020 in stationärer Behandlung befinde und dass eine weitere Aufenthaltsbescheinigung auf dem Postweg übersandt werde. Dennoch sprach das Unternehmen am 11.8.2020 die fristlose Kündigung aus. Die dagegen erhobene Klage hatte in beiden Instanzen Erfolg.
Unstreitig war die Mitarbeiterin nach den Feststellungen des LAG Berlin-Brandenburg (Urt. v. 13.7.2023 – 10Sa625/23, rk.) nach ihrem Urlaub in stationärer Behandlung und damit arbeitsunfähig. Ein arbeitsunfähiger Mensch fehlt jedoch nicht unentschuldigt, egal ob er diese Arbeitsunfähigkeit anzeigt oder nachweist. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung am 11.8.2020 war das Unternehmen auch von der Arbeitsunfähigkeit durch den Sozialdienst informiert worden. Somit bestand im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung kein Verstoß mehr gegen die Anzeigepflicht nach dem EFZG.
Abgesehen davon würde die Verletzung einer Anzeige- und/oder Nachweispflicht als steuerbares Verhalten regelmäßig eine Abmahnung voraussetzen. Der Ausspruch einer fristlosen Kündigung war unangemessen.
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Dr. Claudia Rid
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