27 Mio. Arbeitnehmer haben in Deutschland Anspruch auf Bildungsurlaub – doch nur 3,5 % nutzen den gesetzlichen Anspruch auf Extraurlaub für Weiterbildung. Viele aus Unwissenheit, viele aus Angst vor der Reaktion des Arbeitgebers.
Dabei hat Bildungsurlaub viele Vorteile für Unternehmen: So drückt er z. B. Wertschätzung aus, fördert die Selbstwirksamkeit und lebenslanges Lernen von Beschäftigten.
Viele Unternehmen haben dennoch die Sorge, dass ein Bildungsurlaub die „Leistung“ eines Mitarbeiters nicht genug steigert – man kann aber nicht nach mehr „Leistung“ fragen, ohne die individuelle Leistungsfähigkeit (Gesundheit) oder Leistungsbereitschaft (Motivation) mitzudenken. Unternehmen müssen lernen, ihren Beschäftigten zu vertrauen und unternehmerischen Erfolg ganzheitlicher zu denken.
Exkurs: Was ist Bildungsurlaub?
In Deutschland haben Arbeitnehmer (außer in Sachsen und Bayern) per Gesetz Anspruch auf fünf bis zehn Tage Extraurlaub pro Jahr für Weiterbildungen, die offiziell als Bildungsurlaub anerkannt sind. Dabei stellt das Unternehmen den Beschäftigten für den Zeitraum des Bildungsurlaubsseminars unter Fortzahlung des Gehalts frei – die Seminarkosten übernimmt der Beschäftigte selbst.
Das Fortschrittliche: Neben fachlichen Qualifizierungen werden bspw. auch Seminare, welche die mentale oder körperliche Gesundheit von Beschäftigten fördern, offiziell als Bildungsurlaub von den Bundesländern zugelassen. Neben Design-Thinking-Workshops und Sprachkursen, können somit auch Seminare rund um Yoga oder Stressmanagement besucht werden. Aber auch viele gesellschaftsrelevante Themen rund um Klimaschutz, Politik oder Rassismus werden als Bildungsurlaub anerkannt.
Was für ein Bildungsurlaubsseminar die Beschäftigten besuchen, können diese in den meisten Bundesländern frei wählen und die Kurse können weltweit stattfinden.
Wichtig ist an dieser Stelle für Unternehmen zu wissen: Alle Bildungsurlaubsseminare sind dabei offiziell von den jeweiligen Bundesländern als Bildungsurlaub zertifiziert. Dafür werden u. a. Lernplan und Lernziel der Seminare geprüft – ein beruflicher Mehrwert ist also immer gegeben.
Drei Vorteile für Unternehmen
Wie bereits angedeutet, wird Weiterbildung von vielen Unternehmen zu kurz gedacht – in Zeiten des zunehmenden Fachkräftemangels, steigender Krankheitstage aufgrund gesundheitlicher Belastungen und eines wachsenden Arbeitnehmermarktes ist ganzheitliche Weiterbildung via Bildungsurlaub ein Erfolgsschlüssel, der noch viel zu oft auf versperrte Türen stößt. Lassen Sie mich deshalb hier drei Vorteile für Unternehmen aufführen:
1. Gesündere Mitarbeiter – weil Gesundheit keine Privatsache ist:
Sich um seine Gesundheit zu kümmern, ist hochprofessionell. Denn in Deutschland sind allein Rückenleiden und psychische Erkrankungen – wie Burn-out – für gut 30 % der Arbeitsunfähigkeitstage von Beschäftigten verantwortlich – Tendenz steigend.
Die Zahlen zeigen, dass Gesundheit nicht die alleinige Freizeitaufgabe von Arbeitnehmern ist, sondern Teil der Arbeitgeberverantwortung sein muss. Mit Bildungsurlaub rücken körperliche und mentale Gesundheit in den beruflichen Fokus – auf diese Weise verstärkt Bildungsurlaub das eigene betriebliche Gesundheitsmanagement.
Ergebnisse der Bildungsurlauber-Umfrage dazu: 45 % der Befragten, die einen gesundheitsorientierten Bildungsurlaub besucht haben, gaben an, dass sich ihr Gesundheitszustand durch den Besuch des Bildungsurlaubs verbessert habe. 42 % gaben sogar an, dass dieser einen positiven Einfluss auf ihre Krankentage hatte.
2. Mit mehr Motivation gegen die innerliche Kündigung:
Laut dem Gallup Engagement Index 2022 fühlen sich 18 % der Arbeitnehmer in Deutschland nicht emotional an ihr Unternehmen gebunden und haben innerlich bereits gekündigt. Für Unternehmen bedeutet das: Dienst nach Vorschrift. Stichwort „Quiet Quitting“.
Ohne Motivation der eigenen Mitarbeiter lassen sich Ziele schlechter erreichen – Firmen müssen auf Beschäftigte bauen können, die Herausforderungen selbstständig und zupackend angehen. Nur so kann man schnell und gut auf sich verändernde Marktbedingungen und Kundenwünsche reagieren.
Bildungsurlaub ist eine Möglichkeit, die emotionale Bindung und Motivation der Angestellten zu steigern, indem man ihnen Wertschätzung entgegenbringt und deren persönliche Interessen fördert.
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Ergebnisse der Bildungsurlauber-Umfrage dazu: 55 % der Arbeitnehmer, welche die Haltung ihres Unternehmens gegenüber Bildungsurlaub als „offen“ beschreiben, sagen, dass diese Haltung die emotionale Bindung an den Arbeitsplatz erhöht.
3. Mitarbeiter finden und binden:
Schaut man sich die aktuelle Arbeitsmarktsituation an, dann gehen die Babyboomer in Rente, der Fachkräftemangel ist höher denn je, es gibt eine hohe Jobwechselbereitschaft bei Arbeitnehmern und die Anforderungen an ein anderes Arbeitsleben werden immer lauter formuliert.
Für Unternehmen geht es deshalb nicht mehr nur darum, gute Talente zu finden, sondern die bereits eingearbeiteten Talente zu halten. Denn wenn Beschäftigte ein Unternehmen verlassen, folgen darauf viele direkte und indirekte Fluktuationskosten: Resturlaubstage, Exit-Gespräche, Mehrbelastung der verbleibenden Mitarbeiter, neue Stellenausschreibungen, zeitlich aufwendiger Bewerbungsprozess, Onboarding etc.
Bildungsurlaub kann hier z. B. helfen, die Mitarbeiterzufriedenheit zu steigern, die Unternehmenskultur zu verbessern und die Work-Life-Balance der Beschäftigten zu fördern.
Ergebnisse der Bildungsurlauber-Umfrage dazu: Eine positive Pro-Bildungsurlaub-Haltung erhöht für 68 % der Befragten die Arbeitgeberattraktivität und für 66 % die Chance, langfristig beim Arbeitgeber zu bleiben. Für 67 % fördert sie auch eine gute Unternehmenskultur.
Bildungsurlaub als 360-Grad-Benefit
Unternehmen sollten Bildungsurlaub als ein 360-Grad-Benefit für individuelle Mitarbeiterzufriedenheit sehen. Durch die thematische Seminarvielfalt ist es möglich, dass Beschäftigte sich selbstverantwortlich um ihre aktuellen Bedürfnisse kümmern.
So können bspw. Themen, wie körperliche und mentale Gesundheit, im Arbeitsleben angegangen werden – und das Suchen nach Lösungen wird nicht ins Privatleben verdrängt. Auf diese Weise bleiben die eigenen Beschäftigten langfristig ein leistungsstarker, motivierter und gesunder Teil des Unternehmens.
Lara Körber
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