Wirtschaftliche Vertretbarkeit einer Sozialplandotierung
Die Arbeitgeberin erbrachte Bodenverkehrsdienstleistungen an den Flughäfen in Berlin und Brandenburg. Sie war aus mehreren gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen entstanden und ist Teil der W-Gruppe. Muttergesellschaft ist die GGB. Diese vergab die Dienstleistungen im Rahmen eines Unterauftragsverhältnisses an die Arbeitgeberin. Von Beginn an schrieb diese Verluste und musste kontinuierlich durch Finanzspritzen der Mutter- und anderer Konzerngesellschaften vor der Insolvenz bewahrt werden. Ein Beherrschungsvertrag oder ein Gewinnabführungsvertrag mit einer Konzerngesellschaft bestand nicht. Im September 2014 kündigte die GGB als einzige Auftraggeberin sämtliche noch vorhandenen Aufträge zum 31.3.2015. Die Arbeitgeberin teilte dem Betriebsrat daraufhin mit, es sei beabsichtigt, den Betrieb zum 31.3.2015 stillzulegen. Die gebildete Einigungsstelle beschloss durch Spruch einen Sozialplan über die Zahlung von Abfindungen mit einem Gesamtvolumen i. H. v. 750.000 Euro, nachdem die GGB eine entsprechende Finanzierungszusage gegeben hatte. Dies entsprach einer durchschnittlichen Abfindungshöhe von knapp 4.000 Euro bzw. 1,78 Bruttomonatsentgelten. Der Betriebsrat focht den Spruch der Einigungsstelle wegen Unterdotierung des Sozialplans an und reklamierte einen Haftungsdurchgriff auf die Muttergesellschaft und andere Gesellschaften des W-Konzerns. Er hatte damit in zwei Instanzen keinen Erfolg (LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 18.10.2018 – 21 TaBV 1372/17).
Bei der Bemessung des Gesamtbetrags der Sozialplanleistungen ist darauf zu achten, dass der Fortbestand des Unternehmens oder die nach der Durchführung der Betriebsänderung verbleibenden Arbeitsplätze nicht gefährdet werden. Die durch die Betriebsänderungen eintretenden wirtschaftlichen Nachteile müssen substanziell gemildert werden. Ist jedoch eine solche Milderung wirtschaftlich unvertretbar, muss die Einigungsstelle davon absehen.
Abzustellen ist auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des sozialplanpflichtigen Unternehmens, nicht auf ein Konzernunternehmen. Diese Grundsätze gelten auch, wenn ein Unternehmen seinen einzigen Betrieb stilllegt. Im entschiedenen Fall war das Gericht der Überzeugung, dass das Sozialplanvolumen für eine substanzielle Milderung der den Beschäftigten durch die Betriebsschließung entstandenen Nachteile zu gering bemessen war. Es lag sogar noch unterhalb des Rahmens für einen Insolvenzsozialplan, der immerhin ein Gesamtvolumen von 2,5 Bruttomonatsentgelten zulässt. Jedoch hätte die Arbeitgeberin den Sozialplan überhaupt nicht dotieren können, wenn sie nicht eine Finanzierungszusage der GGB erhalten hätte. Eine höhere Dotierung hätte zur Insolvenz geführt.
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Das Gericht erkannte auch, dass die GGB oder Gesellschaften des W-Konzerns nicht für eine höhere Dotierung in Haftung genommen werden können. Denn die besonderen Voraussetzungen für einen Haftungsdurchgriff lagen nicht vor. Es gab weder einen (faktischen) Beherrschungsvertrag noch lag ein existenzvernichtender Eingriff der Muttergesellschaft vor. Allein die wirtschaftliche und finanzielle Verflechtung der Arbeitgeberin mit der GGB oder deren Abhängigkeit von Aufträgen der GGB führen nicht dazu, dass sich die Arbeitgeberin nicht auf ihre wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit berufen darf.
Die Rechtsbeschwerde wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Sie ist beim BAG unter dem Az. 1 ABR 7/19 anhängig.
Dr. Claudia Rid

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· Artikel im Heft ·
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