Low Performer: Weniger Leistung - weniger Geld?

Eine Minderung bei Mängeln der erbrachten Arbeitsleistung, etwa entsprechend der Regelung des § 441 BGB beim Kaufvertrag, ist in den §§ 611 ff. BGB nicht vorgesehen und daher nicht möglich.

(Leitsatz des Bearbeiters)

BAG, Beschluss vom 18. Juli 2007 - 5 AZN 610/07 §§ 611 ff. BGB

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Bild: Kzenon/stock.adobe.com
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Problempunkt

Der Kläger ist als Maler und Lackierer bei der Beklagten tätig. Im März 2006 verrichtete er während zwei Wochen in sechs Wohnungen Maler- und sonstige Gewerke. Mit Schreiben vom 7.4.2006 mahnte ihn der Arbeitgeber wegen Minderleistung ab und zog 502 Euro brutto von seinem Märzlohn wegen "unbezahlten Urlaubs" ab. Später begründete der Arbeitgeber den Abzug damit, dass der Kläger in den zwei Wochen nur 45% bzw. 32% des durchschnittlichen Leistungsvolumens eines durchschnittlich arbeitenden Malergesellen erfüllt habe. Deshalb stünden ihm Schadensersatzansprüche aus unterdurchschnittlicher Arbeitsleistung zu, mit denen er aufgerechnet habe. Die Klage des Mitarbeiters auf Entfernung der Abmahnung und Nachzahlung der 502 Euro hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem Landesarbeitsgericht Erfolg.

 

Entscheidung

Das BAG hielt die Nichtzulassungsbeschwerde des Arbeitgebers für unbegründet. Die Abmahnung war zu entfernen, weil sie sowohl unrichtige Tatsachenbehauptungen enthielt als auch eine unzutreffende rechtliche Bewertung. Dort stand, dass der Kläger "im Leistungslohn" arbeitete, wohingegen die Parteien arbeitsvertraglich "Pauschallohn" vereinbart hatten. Nach den anzuwendenden Tarifbestimmungen verlangt die Beschäftigung im Leistungslohn eine Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien. Eine solche hatten sie vorliegend aber nicht getroffen. Dem Arbeitgeber war es daher nicht möglich, dem Mitarbeiter einseitig im Rahmen seines Direktionsrechts einen Leistungslohn zuzuweisen. Der Beklagte konnte außerdem nicht nachweisen, dass der Kläger eine 502 Euro entsprechende Zeit (gar) nicht gearbeitet oder unbezahlten Urlaub hatte. Ein Minderungsanspruch wegen Mängeln - wie im Kauf- oder Mietrecht - ist dem Arbeitsvertragsrecht (§§ 611 ff. BGB) fremd. Bei der Leistung kommt es auf den individuell dynamischen Maßstab an. Der Arbeitnehmer muss seine persönliche Leistungsfähigkeit ausschöpfen und schuldet keinen bestimmten Erfolg bzw. eine von seiner Person losgelöste Normalleistung. Das Gleiche gilt für einen Schadensersatzanspruch wegen Schlechtleistung. Wer seine individuelle Leistungsfähigkeit ausschöpft, verletzt nicht schuldhaft seine Vertragspflichten. Bei Arbeiten mit körperlicher Belastung ergeben sich stets individuelle Leistungsschwankungen, etwa bei längerer Überkopfarbeit. Auch die vom Kläger behauptete mangelnde Koordination mehrerer Gewerke konnte zu Verzögerungen und damit zu verminderter Arbeitsleistung geführt haben.

 

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Konsequenzen

Die Entscheidung zeigt, wie rechtlich schwierig der Umgang mit Low Performern ist: • Arbeitet der Mitarbeiter qualitativ schlecht und macht nachweisbare Fehler (z.B. schlampiges Streichen), die zu konkreten Schäden führen, steht dem Arbeitgeber ein Schadensersatzanspruch zu. Mit diesem kann er gegen den Vergütungsanspruch die Aufrechnung erklären. • Arbeitet der Mitarbeiter gar nicht, kann sich der Arbeitgeber auf die Einrede des nicht erfüllten Vertrags berufen und die Vergütung anteilig kürzen (§ 326 Abs. 1 BGB). Im Streitfall muss er jedoch darlegen, dass bzw. wann der Arbeitnehmer nicht gearbeitet hat. • Arbeitet der Mitarbeiter qualitativ ordnungsgemäß und durchgehend während seiner Arbeitszeit, aber langsamer als der Durchschnitt, darf der Arbeitgeber den Lohn nicht anteilig kürzen, wenn der Arbeitnehmer unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit seine Arbeitsleistung erbringt. Er schuldet weder einen Arbeitserfolg noch eine bestimmte Normalleistung und es besteht kein Gewährleistungsanspruch (BAG, Urt. v. 11.12.2003 - 2 AZR 667/02, vgl. AuA 2/04, S. 44 f.).

Praxistipp

Ist der "Return on Gehalt" länger oder dauerhaft gestört, weil der Arbeitgeber nachweisen kann, dass seinem vollen Entgelt eine geringere Arbeitsleistung gegenübersteht, begründet dies eine Störung des Arbeitsverhältnisses. Schließlich handelt es sich dabei um ein wirtschaftliches Austausch- und kein soziales Versorgungsverhältnis. Nach Ansicht des BAG ist die Erheblichkeitsschwelle aber erst erreicht - und eine Kündigung möglich -, wenn die Leistung des Low Performers längerfristig mehr als ein Drittel unter der durchschnittlichen Leistung liegt (BAG, Urt. v. 3.6.2004 - 2 AZR 386/03, vgl. AuA 3/05, S. 182 f.). Erbringt der Arbeitnehmer also zwischen 67 und 99% Leistung für 100% Gegenleistung, muss der Arbeitgeber dies hinnehmen. Der Kernbereich des Mitarbeiters ist hingegen bereits tangiert, wenn ihm das Unternehmen 25% seiner Leistungen vorenthält (BAG v. 11.10.2006 - 5 AZR 721/05, DB 2007, S. 170) - eine schwer erklärbare Ungleichbehandlung. Wer sein Vergütungssystem frei gestalten kann, sollte deshalb überlegen, ob er nicht den festen Lohn von 67% an linear ansteigen lässt (z.B. 75% Leistung = 75% Geld) und mit dem echten Leistungslohn bei 100% (Normalleistung) beginnt. Dadurch ließe sich die Lücke, die kündigungsrechtlich und vergütungsrechtlich schwer in den Griff zu bekommen ist, schließen.

RA Volker Stück, Stuttgart

Redaktion (allg.)

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