Ein Arbeitszeitbetrug, bei dem ein Mitarbeiter vortäuscht, für einen näher genannten Zeitraum seine Arbeitsleistung erbracht zu haben, obwohl dies tatsächlich nicht oder nicht in vollem Umfang der Fall ist, stellt eine besonders schwerwiegende Pflichtverletzung dar, die eine Kündigung aus wichtigem Grund rechtfertigen kann. Dasselbe gilt für den Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete vom Arbeitgeber sonst kaum sinnvoll kontrollierbare Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren. Entscheidend ist der mit der Pflichtverletzung verbundene schwere Vertrauensbruch.
Einer seit über 30 Jahren beschäftigten Mitarbeiterin im Arbeitsamt war ihre Zigarettensucht zum Verhängnis geworden. Es gab in der Agentur eine Dienstvereinbarung zur Flexibilisierung der Arbeitszeit, wonach für alle Mitarbeiter Arbeitszeitkonten geführt werden und bei jedem Betreten oder Verlassen der Dienstgebäude dies zu erfassen ist, auch für Raucherpausen oder sonstige Arbeitsunterbrechungen. Die Vorgesetzte stellte Unregelmäßigkeiten bei den Arbeitszeitbuchungen der Klägerin fest. Ein Abgleich der Buchungen am Personaleingang mit der Arbeitszeiterfassung ergab, dass die Mitarbeiterin an drei Tagen keine einzige Pause, sondern lediglich Beginn und Ende ihrer Arbeitszeit gebucht hatte. Zur Rede gestellt führte sie an, sie benötige die entsprechenden Zigarettenpausen. Sie entschuldigte sich außerdem vielmals für den „Schludrian“, der bei ihr eingerissen sei. Sie werde die Zeiterfassung in Zukunft ganz genau nehmen und ein solches Verhalten werde sich nicht mehr wiederholen. Mit Zustimmung des Personalrats kündigte die Agentur fristlos, hilfsweise ordentlich, wobei die Entscheidung über die fristlose Kündigung, die das Gericht für unwirksam hielt, rechtskräftig wurde. Vor dem LAG Thüringen ging es somit nur noch um die ordentliche Kündigung. Die Klägerin führte insbesondere an, ihre Dienstzeit sei fälschlicherweise bei der Personalratsanhörung nur mit 30 Jahren angegeben, nicht mit 34, außerdem sei sie nicht verheiratet, sondern geschieden. Der Personalrat sei daher fehlerhaft beteiligt worden.
Das Thüringische LAG (Urt. v. 3.5.2022 – 1 Sa 18/21) hielt die ordentliche Kündigung für rechtmäßig. Unstreitig habe die Klägerin gegen ihre Verpflichtung, die Arbeitszeiten korrekt zu dokumentieren, verstoßen und damit einen schweren Vertrauensbruch begangen. Der Hinweis auf ihre Nikotinsucht verfange nicht. Dass die Klägerin durch ihre Abhängigkeit daran gehindert gewesen wäre, ordnungsgemäß ihre Arbeitszeit zu erfassen, hatte sie selbst nicht vorgetragen. Durch die Möglichkeit, im Rahmen des flexiblen Arbeitszeitmodells selbst die Arbeitszeiten zu erfassen, haben alle Arbeitnehmer einen Vertrauensvorschuss erhalten. Dieses Vertrauen hatte die Klägerin missbraucht. Der Pflichtverstoß sei so grundsätzlich, dass auch eine Abmahnung entbehrlich war.
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Der Umstand, dass die Betriebszugehörigkeit um vier Jahre zu kurz bei der Personalratsanhörung angegeben wurde, beeinträchtigt die Wirksamkeit der Kündigung nicht. Aus Sicht des Gerichts bedeutet eine 34 Jahre dauernde Betriebszugehörigkeit gegenüber einer solchen von nur 30 Jahren keine erhöhte Schutzbedürftigkeit. Auch der Umstand, dass die Klägerin nicht verheiratet, sondern geschieden ist, tat der Wirksamkeit der Kündigung keinen Abbruch, denn ausschlaggebend ist die Zahl der Unterhaltsverpflichtungen und nicht der Familienstand selbst. Die Unterhaltsverpflichtungen waren aber korrekt in der Anhörung angegeben.
Das Gericht ließ die Zulassung der Revision wegen der sich stellenden grundsätzlichen Frage der rechtlichen Erheblichkeit fehlerhafter Angaben bei der Unterrichtung des Personalrats zu.
Dr. Claudia Rid
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