Das EntgTranspG – ein Papiertiger?

Umfrage
Am 6.1.2019 „feierte“ das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) bereits einjähriges Bestehen – doch machen Beschäftigte von ihrem neuen Recht Gebrauch? Und wie ist die Wahrnehmung auf Arbeitgeberseite? Im Rahmen einer Umfrage wurden Mitarbeiter und Unternehmen zu ihrer Meinung und ihren Erfahrungen mit dem Gesetz befragt.
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Male and female figurines standing next to equal piles of coins. Income equality concept. Bild: de.stock.adobe.com/Greg Brave
Male and female figurines standing next to equal piles of coins. Income equality concept. Bild: de.stock.adobe.com/Greg Brave

1 Gründe für einen Gehaltsvergleich

In Kooperation mit der Vergleichsplattform Gehalt.de haben wir im Februar und März dieses Jahres 716 Arbeitnehmer sowie 94 Arbeitgeber zum EntgTranspG befragt. Unter den Beschäftigten sind 35 % weiblich und 65 % männlich.

Laut Umfrage fühlen sich 47 % der Mitarbeiter grundsätzlich unfair bezahlt. Zum Vergleich: Letztes Jahr waren es 39 %. Der häufigste Grund hierfür ist eine fehlende leistungsgerechte Vergütung aufgrund von unbezahlten Überstunden, viel Verantwortung und wenig Wertschätzung. Rund ein Drittel aller Beschäftigten hat den Eindruck, dass ihre Kollegen für die gleiche Leistung höhere Einkommen beziehen. Außerdem bemängeln 19% fehlende Gehaltsanpassungen trotz des wirtschaftlichen Erfolgs ihres Unternehmens.

Das EntgTranspG ist seit über einem Jahr in Kraft, doch nur 7 % der Arbeitnehmer haben einen Gehaltsvergleich im Betrieb eingefordert. Hauptgrund ist, dass sich die meisten nicht trauen, einen Antrag einzureichen. Dies sagen 42 % der Befragten. Drei von zehn geben an, die Gehälter ihrer Kollegen ohnehin zu kennen. Bei vielen Beschäftigten besteht Interesse an einem Gehaltsvergleich, jedoch fürchten sie eine Verschlechterung des Arbeitsverhältnisses zu ihrem Arbeitgeber oder den daraus resultierenden Arbeitsaufwand.

2 Beide Seiten sind unzufrieden mit dem Gesetz

Vier Fünftel der Beschäftigten, die ein Auskunftsersuchen in ihrem Unternehmen verlangt haben, waren mit dem Ergebnis unzufrieden: Für 28 % kam der Vergleich nicht zustande, da ähnliche Vergleichswerte fehlten. Bei jedem fünften fand keine Anpassung statt. 16 % sagen wiederum, ihre Stelle sei mit einem ganz anderen Stellenprofil verglichen worden.

Mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer ist unsicher, ob das Gesetz die Entgeltlücke reduzieren wird. Noch größer ist der Unmut auf Arbeitgeberseite: Fast drei Viertel glauben nicht an den Erfolg des Gesetzes. Rund 51% der Mitarbeiter und 26 % der Unternehmen sind der Ansicht, dass es durch die fehlenden rechtlichen Konsequenzen unwirksam bleibt.

3 Unternehmen profitieren von fairen Vergütungsstrukturen

Sicher ist jedoch, dass Arbeitgeber langfristig für faire Vergütungsstrukturen Sorge tragen müssen, um die Beschäftigten halten zu können. Unternehmen, die sich des Themas annehmen, verschaffen sich so einen Marktvorteil und liegen vor allem beim Recruiting klar im Vorteil. Besonders im Hinblick auf den aktuellen Fachkräftemangel ist das wichtiger denn je.

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Laut unserer Umfrage setzen 67 % der Arbeitgeber ein Arbeitsbewertungsverfahren bzw. eine Stellenbewertung ein. Zudem müssen Firmen, die über 500 Angestellte beschäftigten, einen Bericht vorlegen – rund ein Viertel kommen dieser Forderung bisher nicht nach.

Wir haben für das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) das Onlineportal „Monitor Entgelttransparenz“ erstellt. Das Programm ermöglicht die komfortable Erstellung des im Gesetz geforderten Berichts, mit dem Unternehmen ab 500 Beschäftigten über ihre Vergütungspraxis Auskunft geben. Die Software führt durch alle relevanten Fragen, um einen vollständigen Bericht abzugeben.

4 Fazit

Nach den Ergebnissen unserer Studie sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer unzufrieden mit dem EntgTranspG. Obwohl sich immer mehr Mitarbeiter unfair bezahlt fühlen, haben nur 7 % einen Gehaltsvergleich eingefordert. Der Gesetzgeber müsste also nachjustieren, um die beabsichtigten Ziele zu erreichen und den Aufwand für Arbeitgeber in einem überschaubaren Maße zu halten.

Tim Böger

Tim Böger
Geschäftsführer, Compensation Partner, Hamburg
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Seite 430
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