Bei der Regelung der Vergütungsgrundsätze von AT-Angestellten besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Dieses Recht soll nach der Rechtsprechung des BAG grundsätzlich den örtlichen Betriebsräten und nicht dem Gesamtbetriebsrat zustehen. Dieser ist nur dann für eine Angelegenheit originär zuständig, wenn sie das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betrifft und ein zwingendes Erfordernis für eine betriebsübergreifende Regelung besteht. Dieses Erfordernis kann sich aus technischen oder rechtlichen Gründen ergeben. Davon ist auszugehen, wenn der Arbeitgeber freiwillige Leistungen erbringt, zu deren Gewährung er nur betriebsübergreifend bereit ist. Diese BAG-Rechtsprechung ist in der Literatur kritisiert worden. Dass sie nicht auf alle Konstellationen passt, bestätigt der folgende Fall: Ein Unternehmen, das bundesweit ca. 8.500 Mitarbeiter in ca. 850 Finanzcentern beschäftigt, unterhielt bundesweit 12 Flächenbetriebe. Neben den örtlichen Betriebsräten war ein Gesamtbetriebsrat gebildet worden. Für alle Beschäftigten gilt bundesweit ein einheitlicher Manteltarifvertrag sowie ein einheitlicher Entgelttarifvertrag. 2006 hatte der Arbeitgeber mit dem Gesamtbetriebsrat eine Gesamtbetriebsvereinbarung „Gehaltsregelungen für außertarifliche Arbeitnehmer“ (GBV) geschlossen, die die Arbeitsbedingungen der außertariflichen Mitarbeiter regelte und ein Entgelt-Abstandsgebot von 15 % zur obersten Tarifgruppe festlegte. Wurde das Tarifentgelt erhöht, passte das Unternehmen die Gehaltsbandbreiten für den außertariflichen Bereich an. Im Jahr 2019 fassten Gesamtbetriebsrat und Unternehmen die GBV neu. Ob die örtlichen Betriebsräte Delegationsbeschlüsse zu der GBV gefasst hatten, ließ sich nicht mehr aufklären. Im Rahmen der Eingruppierung verschiedener außertariflicher Mitarbeiter widersprach der örtliche Betriebsrat mit der Begründung, der Arbeitgeber wende ein Vergütungsschema an, das nicht mit ihm verhandelt worden sei. Der Gesamtbetriebsrat sei für den Abschluss der Vereinbarung über die Vergütungsstruktur im außertariflichen Bereich nicht zuständig.
Das LAG Niedersachsen (Beschl. v. 31.8.2020 – 1 TaBV 102/19) ersetzte auf Antrag des Unternehmens die Zustimmung zur Eingruppierung. Es sah die originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für den Abschluss der GBV als gegeben an. Es greife zu kurz, dessen Zuständigkeit nur in den Fällen anzunehmen, in denen von einer subjektiven oder objektiven Unmöglichkeit der Regelung auf Betriebsebene auszugehen ist. Je weniger ein Regelungsgegenstand mit den Besonderheiten eines einzelnen Betriebs zu tun hat, desto eher ist der Gesamtbetriebsrat zuständig. Das Unternehmen hatte die unternehmerische Entscheidung getroffen, Vergütung nach unternehmenseinheitlichen Strukturen zu zahlen. Im Tarifbereich ist es eine Tarifbindung eingegangen. Im außertariflichen Bereich verfolgt das Unternehmen das legitime und sachlich begründete Ziel, in ihren gleichartigen Betrieben und für identische außertarifliche Tätigkeiten ein einheitliches Vergütungssystem zu schaffen, das auf dem unternehmensweit tariflichen System aufbaut. Die Betriebe sind in Struktur, Aufgabe und Tätigkeit identisch, das Unternehmen ist bundesweit nach einheitlichen Strukturen organisiert. Die unternehmenseinheitliche Vergütung liegt im Interesse der außertariflich Beschäftigten an einer transparenten Gehaltsstruktur.
Selbst wenn es sich bei der Vergütung der AT-Angestellten nicht um eine „freiwillige“ Leistung handelt, die der Arbeitgeber von einer unternehmensweit einheitlichen Regelung abhängig machen kann, obliegt ihm doch, das Volumen zur Vergütung aller Mitarbeiter bereitzustellen und die Entscheidung über künftige Gehaltserhöhungen zu treffen. In diesem Bereich leiste er damit freiwillig Vergütungsbestandteile, ohne dazu normativ verpflichtet zu sein. Die Rechtsbeschwerde ist unter dem Az. 7 ABR 32/20 anhängig.
Kein Papier mehr? Dann ist AuA-Digital genau das Richtige für Sie. Einfach 60 Tage kostenlos testen. Nutzen Sie die papierlose Abrufbarkeit von tausenden Fachinformationen und Entscheidungs-Kommentaren.
Attachment | Size |
---|---|
Beitrag als PDF herunterladen | 107.46 KB |
· Artikel im Heft ·
Vor dem Sächsischen LAG stritten die Betriebsparteien über die Mitbestimmungspflichtigkeit der Anordnung zum Tragen von Headsets während
Das LAG Nürnberg (Urt. v. 6.9.2022 – 1 TaBV 4/22) entschied über die Frage, ob der Arbeitgeber für die Anwendung einer Dienstwagenregelung
Problempunkt
Der beklagte Konzern schloss für seine außertariflichen Beschäftigten (AT-Beschäftigte) im Innendienst eine
Problempunkt
Die Arbeitgeberinnen, die einen Gemeinschaftsbetrieb – ein Verteilzentrum – in W betreiben, beabsichtigten, Microsoft
In einem Produktionsbetrieb galt ein Haustarifvertrag, der ein Vergütungsgruppenverzeichnis mit 14 Vergütungsgruppen enthielt. Daneben
Vor dem LAG Nürnberg (Beschl. v. 10.9.2021 – 4 TaBV 29/19) stritten Arbeitgeber und Gesamtbetriebsrat über die Frage, ob dieser ein