Fehlerhafte Betriebsratsanhörung

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Der Arbeitgeber hatte Testkäufer eingesetzt, um zu prüfen, ob Käufe ordnungsgemäß boniert und kassiert werden. Innerhalb einer Viertelstunde fanden drei Testkäufe über Waren im Wert von 20 Euro statt. Die Testkäufer meldeten, dass die Kellnerin einen Zehn-Euro-Schein für ein Brötchen in ihre Hosentasche gesteckt habe. Außerdem meldeten sie Unregelmäßigkeiten beim Einkauf von Getränken, die ebenfalls nicht korrekt boniert und kassiert worden seien. An dem Tag wurde die Kellnerin in der Mittagspause von einer Kollegin vertreten. Der Arbeitgeber hörte die Kellnerin zu den Vorwürfen an. Diese bestritt sie und erklärte, dass sie während des Kassiervorgangs durch die Kollegin unterbrochen worden war. Sie habe daher die 10 Euro für das Brötchen gar nicht selbst in Empfang genommen, sondern den gesamten Kassiervorgang abgegeben. Dennoch leitete das Unternehmen eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung in die Wege, zu der der Betriebsrat wie folgt angehört wurde: Die Testkäufer hätten beobachtet, wie die Kellnerin das Geld in die Hosentasche gesteckt habe, und zwar in mehreren Fällen innerhalb einer Viertelstunde. Infolge der Häufung binnen kurzer Zeit sei davon auszugehen, dass ein planvolles Manipulationsverhalten vorliegt und es sich nicht nur um einzelne vergessene Buchungen handelt. Immerhin habe die Kellnerin knapp 20 Euro zulasten des Arbeitgebers unterschlagen.

Im Prozess stellte sich heraus, dass lediglich für einen Kassiervorgang i. H. v. 10 Euro belastbare Tatsachen für einen Verdacht der Unterschlagung vorlagen, die übrigen Vorwürfe bzgl. der zwei weiteren Kassiervorgänge hielt das Unternehmen nicht weiter aufrecht.

Das Hessische LAG (Urt. v. 24.11.2017 – 14 Sa 1256/16) erklärte die Kündigung wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats für unwirksam. Die zuletzt noch in Rede stehende Manipulation im Rahmen eines Testkaufs begründete weder den Tatvorwurf noch den Tatverdacht der Vornahme systematischer Manipulationen und Unterschlagungen. Zum Kündigungsgrund einer einzelnen Unterschlagung war der Betriebsrat jedoch nicht angehört worden. Das Unternehmen hatte die Kündigung aber gerade mit dem systematischen Verhalten der Kellnerin begründet, nicht mit einem einzelnen Unterschlagungsvorwurf. Hinzu kam, dass der Arbeitgeber in der Betriebsratsanhörung behauptet hatte, die Kellnerin habe die Vorwürfe pauschal bestritten. Auch dies war unrichtig, da sie detailliert dargelegt hatte, wie sich der Vorgang aus ihrer Sicht abspielte.

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Dr. Claudia Rid

Dr. Claudia Rid
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht, CMS Hasche Sigle, München
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· Artikel im Heft ·

Fehlerhafte Betriebsratsanhörung
Seite 370
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