1 Produktivität, Familienfreundlichkeit, Zufriedenheit
Individuelle Entfaltung, Freiräume und damit auch „Remote Work“ sind nicht nur für die heiß umkämpfte Generation Y echte Bedürfnisse. Die Sehnsucht nach flexiblen Arbeitsmodellen und einer ausgeglichenen Work-Life-Balance sind zunehmend ein entscheidendes Argument im Recruiting sämtlicher Generationen. Doch beim Homeoffice spielen nicht nur die Zugeständnisse an die Mitarbeiter zeitlich und lokal unabhängiger Teams eine Rolle, auch für Unternehmer liegen die Vorteile auf der Hand, wenn die Voraussetzungen stimmen und feste Regeln eingehalten werden.
„Remote“ arbeiten fördert die Produktivität. Ablenkungen durch ein Schwätzchen mit dem Kollegen auf dem Flur oder große Lautstärke im Büro gibt es nicht. Remote-Worker haben eher die Kontrolle über ihre Störquellen. Läuft das Radio oder nicht, ist das Fenster geöffnet oder nicht, alles individuelle Entscheidungen. Hinzu kommt der enorme Zeitgewinn, denn das stressige Pendeln zur Arbeit entfällt und damit auch die große nervliche Belastung. Remote-Teams sind insgesamt entspannter und gesünder. Denn mit dem Wegfall des kraft- und nervenzehrenden Wegs zur Arbeitsstätte steigt erfahrungsgemäß die Schlafdauer und auch zehn Minuten Yoga oder ein kleiner Run durch den Park passen nun besser in den Alltag.
Insgesamt gehen flexible Arbeitsmodelle mit geringeren Kosten einher. Das ist besonders für kleine Unternehmen und Start-ups attraktiv und nebenbei auch umweltfreundlich. Wird ganztägig mit einem Remote-Team gearbeitet, spart der Arbeitgeber Büro, Parkplatz, Kantine, Fahrstuhl, Beleuchtung, Telefon und alle damit verbundenen Reparatur- und Instandhaltungskosten. In Zeiten steigender Mieten werden so nicht nur Raumkosten gespart, sondern auch Standortnachteile ausgeglichen. Zudem gewinnt die Umwelt, denn Remote-Work senkt eindeutig den Energieverbrauch der Mitarbeiter. Sie verbrauchen weniger Benzin und produzieren weniger Staus und Feinstaub. Decken die Teammitglieder dann auch noch verschiedene Zeitzonen und Regionen weltweit ab, müssen keine Außenstellen errichtet werden, und die Weiterarbeit an Projekten erledigt sich praktisch im Schlaf.
Die Unabhängigkeit von Zeit und Ort hat aber noch weitere Vorteile: Die Teams können je nach Bedarf innerhalb kürzester Zeit die Mitarbeiterzahl anpassen und Projekte mit Experten-Know-how aus der ganzen Welt verstärken. Das freut das Projektmanagement und spart auch Zeit. Denn dieser Faktor spielt eine immer größere Rolle. Für mehr Zeit mit der Familie verzichten Arbeitnehmer übrigens auch gern mal auf etwas Gehalt.
2 Die Technik muss funktionieren
Wen wundert es? Ohne Plan und klares Konzept funktioniert die Arbeit mit Remote-Teams noch weniger als in klassischen Arbeitsteams. Doch während IBM und Yahoo Tausende Mitarbeiter wegen angeblich mangelnder Produktivität aus dem Homeoffice wieder zurück ins Unternehmen holten, klappt das flexible Arbeiten in kleineren Unternehmen sehr gut. Die Voraussetzungen sind vielseitig, aber wenn sie zunächst ausgelotet und dann eingehalten werden, ist das Remote Working für alle gewinnbringend.
Wenn man sich nicht persönlich sieht, verbinden das Internet und eine Reihe von Kommunikations- und Projektmanagement-Tools die Teammitglieder. Funktioniert die Technik nicht, kostet es Zeit und Geld. Hier ist es wichtig, die Tools zu finden, die am besten zur Arbeitsweise des Teams passen. Man sollte von Anfang an für klare Regeln und praktische Software-Tools sorgen, die das Remote Working tatsächlich erleichtern. So könnte bspw. geregelt sein, dass geschriebene Nachrichten etwa einheitlich bei Slack zeitlich individuell gelesen werden und eilige Aufträge, die innerhalb einer Stunde bewältigt werden müssen, grundsätzlich telefonisch erfolgen. Täglich feste Video- und Telefonkonferenzen, viele praktische Kommunikationstools und klare Regeln zur Erreichbarkeit sind Erfolgsrezepte. Ohne beständige Tools zur Zusammenarbeit geht es nicht: ein gutes Chatprogramm, ein übersichtliches Projektmanagement-Tool wie Monday.com und das Office-Paket, um sich gegenseitig Aufgaben zuzuweisen und Projekte zu steuern, Möglichkeiten an Dokumenten gemeinsam zu arbeiten, Gruppen- oder Videotelefonie mit Zoom oder satellite.me. Der Arbeitgeber kann dabei seine Mitarbeiter bestmöglich in ihrer Situation unterstützen, etwa mit passenden Kopfhörern, Coworking-Plätzen und anderen Gadgets, die ein ergonomisches Arbeiten ermöglichen.
3 Feste Strukturen und persönliche Kommunikation
Mitglieder von Remote-Teams sollten gut von zu Hause arbeiten können. Wie gut das gelingt, ist individuell unterschiedlich. Deshalb sind im Team feste Erreichbarkeiten und sog. Team-Cycles sinnvoll, wo z. B. alle gemeinsam in einem Video-Call-Room täglich außer montags für 90 Minuten arbeiten. Man ist räumlich getrennt, aber nicht allein. Die anderen sind da. Eine gute Zeit, sich auszutauschen und zu sehen, dass auch alle anderen Teammitglieder mit ähnlichen Herausforderungen kämpfen. Team und Arbeitgeber sehen und hören sich so wenigstens mehrfach wöchentlich und die Unternehmensverantwortlichen bzw. Projektleiter können ihren Teams persönlich bei jeder Art von Problem helfen. Diese festen Regeln und Prozesse sind für eine erfolgreiche Zusammenarbeit unumgänglich und nur so kann man aktiv seine Teammitglieder beim Erreichen ihrer persönlichen Zielvereinbarungen unterstützen.
Wie in allen verteilten Teams hat die dienstliche und persönliche Kommunikation einen besonders hohen Stellenwert, denn ein kurzes Gespräch an der Kaffeemaschine oder das Bier nach Feierabend gibt es ja nicht. Trotzdem ist die gesamte Kommunikation natürlich störanfälliger, als wenn sich alle in einem Büro gegenübersitzen und Absprachen treffen. In Remote-Teams hilft bei dieser Herausforderung letztlich nur viel Reden und Schreiben. Der Chat wird zum virtuellen Büro und behandelt sowohl Dienstliches, aber eben auch Persönliches, sauber über verschiedene Kanäle getrennt. Remote-Worker müssen also schnell schreiben können, denn der Kommunikationsmix aus allen Tools macht letztlich den klassischen Flurfunk. Über die verschiedenen Chats werden Missverständnisse besprochen und Fehler behoben, man erfährt, wie die Projekte laufen oder wie es den Kollegen persönlich geht. Besonders die persönliche Kommunikation ist wichtig. Wie ist das Wetter in Düsseldorf? Hat das Mittagessen geschmeckt? Seht mal, das witzige Video hier! Alles Banalitäten, die das Gruppengefühl stärken und mögliche Einsamkeitsgefühle mindern. Denn ausschließliches Homeoffice kann auf Dauer einsam machen und auch Teambuilding ist unter diesen Umständen keine leichte Aufgabe. In diesem Bereich haben es klassisch arbeitende Teams natürlich leichter: Sie können ihren Arbeitsplatz gestalten, lustige Bilder aufhängen und haben gemeinsame Erlebnisse oder Rituale. Das sind Erinnerungen, die Teams eng miteinander verbinden und die in Remote-Teams, wo jeder an seinem eigenen „Schreibtisch“ arbeitet, fehlen. Das muss aber nicht sein. Arbeitgeber können diese Situation bspw. mit sog. Workations lösen, die ein- bis zweimal jährlich in verschiedenen Hotels weltweit stattfinden. Hier wird dann für knapp zehn Tage gemeinsam gearbeitet und am Abend das eine oder andere Bier nachgeholt. Denn egal wie weit die Mitarbeiter auf der Welt verstreut arbeiten, sie brauchen auch persönliche und gemeinsame Erlebnisse, um zu einem Team zusammenzuwachsen. Die Erfahrungen zeigen, dass das ein guter Weg ist, damit es der heterogenen Belegschaft gutgeht – was sich auf die Produktivität und letztlich den Erfolg des Unternehmens auswirkt.
Das ist aber natürlich kein Patentrezept für alle. In jedem einzelnen Team müssen individuelle Lösungen gefunden werden: Denn Teams unterscheiden sich und nicht jedes junge Talent ist für das Homeoffice geschaffen. Man braucht weiterhin die Leader-Position im Unternehmen als Kontrollinstanz. Diese Person bespricht mit dem Team und jedem Einzelnen individuell abgestimmte Ziele und hilft tagsüber aktiv mit, dass sie erreicht werden. Öfter als üblich führt sie Gespräche auf Team- und Mitarbeiterebene und hat einen deutlich intensiveren Kontakt zum Team, als das möglicherweise unter klassischen Arbeitsbedingungen wäre. Das Gemeinschaftsgefühl hilft dabei, kontinuierlich am gleichen Strang zu ziehen und die vorgegebenen Ziele zu erreichen. Das beflügelt und wirkt motivierend auf alle Beteiligten.
4 Remote-Teams brauchen Macher und Vertrauen
Es gibt Menschen, die finden, dass das gemeinsame Mittagessen mit Kollegen oder das Kuchenessen freitags die eigentlichen Höhepunkte der Arbeitswoche sind. Diese Mitarbeiter ziehen ihre Zufriedenheit im Job aus dem Drumherum. In remote arbeitenden Teams funktioniert das nicht. Arbeitszeit ist Arbeitszeit! Intrinsische (von innen kommende) Motivation ist das Zauberwort: Sie entspringt aus
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- Zufriedenheit,
- einer Work-Life-Balance,
- selbstbestimmten Arbeitszeiten,
- angemessenem Gehalt und
- einer partnerschaftlichen Führung.
Jeder im Team macht hauptsächlich, was er am besten kann und genießt dabei so viel Freiheit wie möglich. Bei Arbeitnehmern mit diesen Werten muss keine Zeit getrackt werden, sie arbeiten eigenverantwortlich an ihren Zielen und denen des Unternehmens. Menschen mit intrinsischer Motivation zu finden, die gut in Remote-Teams arbeiten können, ist nicht leicht. Und wenn sie gefunden sind, ist es wichtig, dass der Onboarding-Prozess gründlich abläuft. Hierfür sollte man sich mindestens sechs Wochen Zeit nehmen. In Remote-Teams müssen Qualifikation und Persönlichkeitstyp passen (Stichwort Cultural Fit). Denn oft kommt nach der ersten Euphorie des Arbeitens von zu Hause auch ein einsames Erwachen. Stimmt alles andere, kann man das Arbeitsverhältnis retten und die Nutzung von Coworking-Spaces unterstützen, damit der Betroffene mehr unter Menschen kommt. Der Arbeitgeber kann diese sogar fest für seine Teammitglieder buchen. Wichtig ist aber eins: Die Kandidaten müssen Macher sein, die einfach auch ohne Auftrag anfangen, weil sie wissen, was zu tun ist und das, was sie tun, tun möchten – nicht weil sie es müssen.
Dazu brauchen die Teams und Geschäftsführer Vertrauen ineinander. Denn Remote-Teams arbeiten ergebnisorientiert. Ob die Mitarbeiter nach den Team-Cycles am Morgen mit ihrem Hund spazieren gehen oder die Kinder von der Kita holen, ist egal. Die Hauptsache für alle ist, dass am Ende die Aufgaben erledigt sind. Was geschafft wurde, wo Reserven sind, was anders oder besser gemacht werden kann, muss in den entsprechenden Teammeetings besprochen werden. Hier spielen Eigenverantwortung, Selbstbewusstsein und Selbstmanagement eine große Rolle. Das sollte von den Verantwortlichen mit täglichen Team-Cycles und Weekly Plannings flankiert und unterstützt werden. Dazu gehört auch, irgendwann Feierabend zu machen. Denn wer remote arbeitet, tut das im Normalfall länger. Auch hier greift die Selbstverantwortung für die Gesundheit, denn Remote Working soll genau das Gegenteil bewirken: Ressourcen für ein besseres Leben freimachen und Zeitverlust verhindern. Das kann es auch, nur machen muss es schließlich jedes Teammitglied selbst.
Das eigenverantwortliche Arbeiten muss also genauso gelernt sein wie der Kontrollverlust des Unternehmens, der sich für ein Remote-Team entschieden hat. Auch wenn man die Arbeitsergebnisse mithilfe verschiedener Software-Tools ständig überprüfen kann: Wer seinem Remote-Team nicht vertraut, sollte keins führen. Im Gegensatz zur klassischen Arbeitsweise muss das Vertrauen in die Teammitglieder und in deren intrinsische Motivation letztlich die unmittelbar sichtbare Kontrolle in einem gut gefüllten Büro ablösen. Als Arbeitgeber kann man sich nicht den ganzen Tag damit quälen, ob die Beschäftigten arbeiten oder nicht. Im Fall von weltweit arbeitenden Teams würde man dann weder tagsüber noch nachts zur Ruhe kommen.
5 Fazit
Remote Working ist ein immerwährender Prozess, der das Wachstum aller Teammitglieder einschließt. Stimmen die Voraussetzungen in Ausstattung, Kommunikationsfähigkeit und Teameigenschaften, ist es für Mitarbeiter und Arbeitgeber eine großartige Sache und bietet zahlreiche Vorteile auf beiden Seiten.
Lars Müller

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