Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds
Der Betriebsrat als Gremium muss der außerordentlichen Kündigung eines seiner Mitglieder ausdrücklich zustimmen. Widerspricht er, muss der Arbeitgeber unverzüglich die Zustimmung durch das Arbeitsgericht ersetzen lassen (§ 103 Abs. 2 BetrVG).
Vor dem LAG Köln (Beschl. v. 23.4.2018 – 9 TaBV 79/17) ging es um die Frage, welcher Arbeitgeber für den Zustimmungsersetzungsantrag antragsbefugt ist und ob es auf die Zulässigkeit des Zustimmungsersetzungsverfahrens einen Einfluss hat, wenn der Betriebsrat einem zeitlich späteren Antrag auf Zustimmung zu einer auf andere Gründe gestützten fristlosen Kündigung Folge leistet. Antragstellerin war die Vertragsarbeitgeberin des Betriebsratsmitglieds. Diese unterhielt mit zwei weiteren Unternehmen einen Gemeinschaftsbetrieb, für den ein Betriebsrat gebildet war. Im Dezember 2016 beantragte die Vertragsarbeitgeberin wegen unentschuldigten Fehlens und eigenmächtiger Beurlaubung die Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsmitglieds. Das Gremium verweigerte die Zustimmung. Darauf stellte der Arbeitgeber unverzüglich den Zustimmungsersetzungsantrag beim Arbeitsgericht. Fünf Monate später bat der Arbeitgeber erneut um Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung, diesmal wegen versuchten Prozessbetrugs. Das Gremium mauerte erneut, so dass ein weiterer Zustimmungsersetzungsantrag bei Gericht gestellt wurde. Im November 2017 stand der Vorwurf rassistischer Äußerungen gegenüber einem Betriebsratskollegen im Raum, so dass zum dritten Mal die Zustimmung zu einer fristlosen Kündigung beantragt wurde. Diesmal stimmte der Betriebsrat zu. Dennoch betrieb der Arbeitgeber die anhängigen Zustimmungsersetzungsverfahren in zweiter Instanz weiter.
Das LAG Köln entschied zunächst, dass in einem Gemeinschaftsbetrieb allein der Vertragsarbeitgeber befugt ist, das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 BetrVG einzuleiten. Im Gemeinschaftsbetrieb sei eine differenzierte Handhabung geboten, wer der „richtige“ Arbeitgeber ist. Ob eine Norm den Vertragsarbeitgeber oder den Betriebsinhaber meint, kann nicht einheitlich bestimmt werden, sondern hängt vom jeweiligen Regelungsgehalt ab. Die Kammer hielt es hier für ausschlaggebend, dass zum Ausspruch einer Kündigung gegenüber dem Betriebsratsmitglied nur der Vertragsarbeitgeber berechtigt ist und dieses Recht den übrigen Unternehmen des Gemeinschaftsbetriebs nicht zusteht. Daher sei auch er alleine antragsbefugt.
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Hinsichtlich des zweiten Fragenkomplexes war die Kammer der Meinung, dass die nachträgliche Zustimmung des Betriebsrats zum dritten Kündigungsantrag dazu führte, dass die Zustimmungsersetzungsverfahren gegenstandslos geworden sind. Es fehlt das notwendige Rechtsschutzbedürfnis. Der Arbeitgeber könne sich im Kündigungsschutzverfahren zusätzlich auf die Gründe stützen, derentwegen der Betriebsrat die Zustimmung verweigert hatte.
Das BAG ließ die Frage, inwieweit der Betriebsrat zu beteiligen ist, wenn der Arbeitgeber weitere Gründe nachschieben will, zu denen keine Zustimmung des Gremiums vorliegt, bisher offen (Urt. v. 2.5.2010 – 2 AZR 587/08). In Fällen der vorliegenden Art, in denen die zusätzlichen Kündigungsgründe dem Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung bekannt waren, weil sie schon Gegenstand eines betrieblichen Zustimmungsverfahrens waren, bedarf es nach Meinung des LAG Köln jedenfalls keiner erneuten gerichtlichen Zustimmungsersetzung.
Das Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem BAG wurde zwischenzeitlich eingestellt, sodass das Urteil des LAG Köln rechtskräftig ist.
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