BAG: Einführung elektronischer Zeiterfassung – Initiativrecht des Betriebsrats

Bild: AdobeStock/Nuthawut
Bild: AdobeStock/Nuthawut

Der Arbeitgeber ist nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann. Aufgrund dieser gesetzlichen Pflicht kann der Betriebsrat die Einführung eines Systems der (elektronischen) Arbeitszeiterfassung im Betrieb nicht mithilfe der Einigungsstelle erzwingen. Ein entsprechendes Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG besteht nur, wenn und soweit die betriebliche Angelegenheit nicht schon gesetzlich geregelt ist.

Der antragstellende Betriebsrat und die Arbeitgeberinnen, die eine vollstationäre Wohneinrichtung als gemeinsamen Betrieb unterhalten, schlossen im Jahr 2018 eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit. Zeitgleich verhandelten sie über eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeiterfassung. Eine Einigung hierüber kam nicht zustande. Auf Antrag des Betriebsrats setzte das Arbeitsgericht eine Einigungsstelle zum Thema „Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Einführung und Anwendung einer elektronischen Zeiterfassung“ ein. Nachdem die Arbeitgeberinnen deren Zuständigkeit gerügt hatten, leitete der Betriebsrat dieses Beschlussverfahren ein. Er hat die Feststellung begehrt, dass ihm ein Initiativrecht zur Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems zusteht.

Das Landesarbeitsgericht Hamm hat dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben (Beschl. v. 27.7.2021 – 7 TaBV 79/20). Die gegen diese Entscheidung gerichtete Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberinnen hatte vor dem Ersten Senat des BAG Erfolg (Beschl. v. 13.9.2022 – 1 ABR 22/21). Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG in sozialen Angelegenheiten nur mitzubestimmen, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht. Bei unionsrechtskonformer Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG ist der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer zu erfassen. Dies schließt ein – ggfs. mithilfe der Einigungsstelle durchsetzbares – Initiativrecht des Betriebsrats zur Einführung eines Systems der Arbeitszeiterfassung aus.

Pressemitteilung Nr. 35/22 des BAG vom 13.9.2022

Lesen Sie zu diesem Thema folgenden Artikel aus AuA 9/22:

„Arbeit gegen Geld“ – so lassen sich die wechselseitigen Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses gem. § 611a BGB plakativ benennen. Dabei wird...

Das Buch geht auf die realen Arbeitssituationen, die im Umbruch sind, ein und zeigt sowohl arbeitsrechtliche Herausforderungen als auch erste, bereits in der Unternehmenspraxis umgesetzte Lösungsansätze auf.

Printer Friendly, PDF & Email

Die Problemfelder im Recruiting- und Bewerbungsprozess sind zahlreich und vielfältig. Im Titelthema geben Nina Schäfer und Dr. Caroline Dressel

Nach Entscheidungen des EuGH und BAG zur Arbeitszeiterfassung sieht ein erster Referentenentwurf aus dem BMAS eine Reform des ArbZeitG vor. Dem

Randolf Jessl und Prof. Dr. Thomas Wilhelm stellen im Titelthema die These auf, dass geteilte Führung bessere Führung ist. Aus ihrer Sicht ist Co

Der Arbeitnehmer hat zur Begründung einer Klage auf Vergütung geleisteter Überstunden – kurz zusammengefasst – erstens darzulegen, dass er Arbeit in

In unserer Mai-Ausgabe kommentiert Prof. Dr. Michael Fuhlrott den ersten Gesetzentwurf aus dem BMAS zur Einführung einer allgemeinen Pflicht zur

Ausgehend von einer Entscheidung des LAG Nürnberg zu Entlohnungsgrundsätzen für die Corona-Prämie besprechen wir diesmal die Mitbestimmungsrechte des