Erfolgsfaktor interne Mobilität
Fachkräftemangel, hohe Fluktuationsraten und begrenzte Budgets für Personalmaßnahmen: Das sind die großen aktuellen Herausforderungen für Personalabteilungen. Laut einer Bitkom-Studie sind derzeit 149.000 Stellen für IT-Fachkräfte unbesetzt, also 12.000 mehr als im Vorjahr. Dieser Mangel betrifft nicht nur die IT-Branche, sondern auch andere Branchen wie das Handwerk, die MINT-Berufe, die Produktion, das Baugewerbe und das Gesundheitswesen. 82% der deutschen Unternehmen haben einer Erhebung der ManpowerGroup zufolge Schwierigkeiten bei der Besetzung offener Stellen.
Eine erfolgreiche Personalstrategie muss sich daher heute durch Flexibilität, dynamische Karrierepfade, Wertschätzung und Selbstverwirklichung auszeichnen – vor allem dann, wenn Unternehmen jüngere Generationen für sich gewinnen und diese halten wollen. Arbeitgebermaßnahmen zur individuellen Karriereplanung gewinnen in diesem Zusammenhang enorm an Bedeutung.
Interne Mobilität und Mobility Management
Ein vielversprechender Ansatz liegt in der Förderung der internen Mobilität. Der Begriff beschreibt die Möglichkeit für Mitarbeiter, innerhalb eines Unternehmens neue Rollen zu übernehmen, sei es durch Beförderungen, Wechsel in andere Abteilungen oder geografische Versetzungen.
Eng damit verwandt ist das „Mobility Management“, das einen umfassenderen Ansatz beschreibt und oft in einem globalen Kontext verwendet wird. Mobility Management bezieht sich damit auf die Verwaltung aller Arten von Mitarbeiterbewegungen, einschließlich internationaler Versetzungen oder Auslandsentsendungen. Hierzu zählen auch administrative Aufgaben wie Visaverwaltung, Steuerfragen, RelocationServices und die Integration der Mitarbeiter am neuen Standort.
Beide Aspekte fördern sowohl die personalisierte Karriereplanung als auch Karriereentwicklungsmöglichkeiten innerhalb des Unternehmens. Ziel ist es, die Mitarbeiterbindung zu stärken und Talente optimal zu entwickeln (Talentmanagement).
Interne Mobilität hat viele Gesichter
Die interne Mobilität kann in verschiedenen Formen auftreten, die jeweils spezifische Vorteile bieten und unterschiedliche Herausforderungen mit sich bringen. Die Hauptformen der internen Mobilität umfassen:
Vertikale Mobilität
Das beschreibt den Wechsel auf eine Stelle mit einem anderen Verantwortungsniveau.
Aufstieg: Mitarbeiter steigen auf der Karriereleiter auf, indem sie höhere Positionen mit mehr Verantwortung übernehmen. Dies fördert das Gefühl der Anerkennung und kann die Motivation sowie die Bindung an das Unternehmen erhöhen.
Abstieg: In manchen Fällen kann es auch sinnvoll sein, eine niedrigere Position anzunehmen, z.B. um Stress abzubauen oder neue Fähigkeiten in einem weniger verantwortungsvollen Umfeld zu entwickeln.
Horizontale Mobilität
Umfasst ist hier die Versetzung von Mitarbeitern in eine gleichwertige Funktion in einer anderen Abteilung oder einem anderen Team. Dies ermöglicht es ihnen, neue Kompetenzen zu erwerben, andere Arbeitsweisen kennenzulernen und ihr berufliches Netzwerk zu erweitern.
Geografische Mobilität
Diese Form der Mobilität wird auch Relocation genannt und bedeutet, dass Beschäftigte ihren Arbeitsplatz in eine andere Stadt oder ein anderes Land verlegen. Dies kann besonders vorteilhaft für die persönliche Entwicklung sein. Es bietet zudem auch Einblicke in globale Arbeitsmärkte und -kulturen.
Temporäre Mobilität
Das steht für eine befristete Zuordnung zu einem Projekt oder einer Stelle.
Projektbezogener Einsatz: Beschäftigte arbeiten vorübergehend in Projekten, die sich über das gesamte Unternehmen oder bestimmte Abteilungen erstrecken. Diese Art der Mobilität ist besonders nützlich, um projektbezogene Fähigkeiten zu entwickeln und neue Ideen über traditionelle Abteilungsgrenzen hinweg zu fördern.
Vertretung: Übernahme von Aufgaben und Verantwortung für abwesende Kollegen, was zusätzliche Einblicke in verschiedene Unternehmensbereiche ermöglicht und die Vielseitigkeit fördert.
Warum ist interne Mobilität so wichtig?
Interne Mobilität bietet eine Win-win-Situation für Mitarbeiter und Unternehmen.
Vorteile für Mitarbeiter
Karriereentwicklung und Lernmöglichkeiten: Interne Mobilität bietet Arbeitnehmern die Möglichkeit, sich beruflich und persönlich weiterzuentwickeln, neue Fähigkeiten zu erwerben und Erfahrungen in verschiedenen Bereichen des Unternehmens zu sammeln. Dies ermöglicht nicht nur eine vielseitige Karriereplanung, sondern fördert auch den Erwerb neuer Kompetenzen, die für zukünftige Aufgaben nützlich sein können.
Höhere Arbeitsplatzsicherheit und -zufriedenheit: Mitarbeiter, die innerhalb des Unternehmens wechseln können, fühlen sich oft sicherer in ihrer Anstellung. Der Grund: Sie wissen um die Möglichkeit, sich anzupassen und weiterzuentwickeln, anstatt das Unternehmen bei mangelnden beruflichen Perspektiven verlassen zu müssen. Dies führt zu größerer Zufriedenheit und einem starken Gefühl der Zugehörigkeit.
Motivation und Engagement: Interne Mobilität wirkt häufig motivierend, da sie zeigt, dass ein Unternehmen in die berufliche Entwicklung der eigenen Mitarbeiter investiert. Beschäftigte, die die Möglichkeit haben, in neue Rollen hineinzuwachsen, sind in der Regel engagierter und zufriedener, da sie sich neuen Herausforderungen stellen und sich wertgeschätzt fühlen.
Vorteile für Unternehmen
Mitarbeiterbindung: Wie bereits erläutert, erhöht eine reibungslose interne Mobilität die Zufriedenheit der Mitarbeiter, was die Bindungsraten deutlich verbessert– und die Fluktuationsraten senkt. Mitarbeiter, die Karrierechancen in ihrem eigenen Unternehmen sehen, haben weniger Anreize, nach Möglichkeiten außerhalb zu suchen. Daten von LinkedIn bestätigen dies: Sie zeigen, dass Arbeitnehmer, die interne Mobilitätsmöglichkeiten genutzt haben, nach drei Jahren mit einer um 64% höheren Wahrscheinlichkeit noch in ihrem Unternehmen tätig sind als Beschäftigte, die keine internen Mobilitätsmöglichkeiten genutzt haben. Letztere sind nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 45 % im Unternehmen verblieben.
Produktivitätssteigerung und Kostenersparnis: Interne Mobilitätsprogramme fördern die Motivation, was wiederum zu einer höheren Produktivität beiträgt. Darüber hinaus reduziert interne Mobilität auch die Kosten und den Zeitaufwand für das Recruiting neuer Mitarbeiter erheblich. Denn interne Kandidaten sind bereits mit den Systemen, Prozessen und Abläufen des Unternehmens vertraut, was eine schnellere und effiziente Einarbeitung ermöglicht, da Zeit, Ressourcen und damit Kosten gespart werden. Laut LinkedIn sind 79 % der HR-Manager, die sich speziell mit der Weiterbildung und Entwicklung von Beschäftigten befassen, der Ansicht, dass die Umschulung vorhandener Mitarbeiter weniger kostet als die Einstellung neuer Kollegen.
Employer Branding: Interne Mobilität kann die Arbeitgebermarke erheblich stärken, indem sie das Unternehmen als attraktiven Arbeitgeber positioniert, der strategisch in die Entwicklung und Karriere seiner Mitarbeiter investiert. Ein Arbeitgeber, der den eigenen Beschäftigten klare interne Aufstiegsmöglichkeiten und Entwicklungspfade bietet, wird als unterstützend, flexibel und wachstumsorientiert wahrgenommen. Dies spricht insbesondere junge Talente und hoch qualifizierte Fachkräfte an, die Wert auf kontinuierliche Lernmöglichkeiten und Karriereentwicklung legen. Ein starkes Employer Branding hilft also nicht nur, neue Talente zu gewinnen, sondern insbesondere, bestehende Mitarbeiter zu halten.
Strategien zur Förderung interner Mobilität
Um interne Mobilität erfolgreich zu fördern, müssen Unternehmen eine Reihe strategischer Maßnahmen umsetzen. Sie alle sollten sicherstellen, dass Mitarbeiter die Möglichkeit haben, sich innerhalb der Organisation weiterzuentwickeln und neue Herausforderungen anzunehmen. Die wichtigsten Aspekte, die Arbeitgeber dabei berücksichtigen sollten, sind:
Transparente Kommunikation
Eines der größten Hindernisse für Arbeitnehmer, interne Mobilitätschancen zu nutzen, ist häufig schlicht und einfach Unwissenheit oder ein Mangel an Informationen. Die Unternehmen müssen sicherstellen, dass die Mitarbeiter umfassend über bestehende Karrieremöglichkeiten, interne Stellenangebote und Entwicklungsprogramme informiert sind. Dies kann durch transparente Kommunikationskanäle wie interne Jobportale und Newsletter oder regelmäßige Besprechungen und spezielle Workshops zur Karriereentwicklung geschehen. Eine klare Kommunikation schafft Vertrauen und ermutigt dazu, Entwicklungsmöglichkeiten proaktiv zu nutzen.
In diesem Zusammenhang ist eine transparente Kommunikation auch während des Auswahlverfahrens selbst wichtig. Dieses muss fair sein und auf klaren Kriterien basieren. Unternehmen sollten darauf achten, dass interne Bewerbungsverfahren ebenso offen und nachvollziehbar sind wie externe und dass alle Beteiligten die gleichen Entwicklungschancen haben. Nur so verlieren die Mitarbeiter nicht das Vertrauen in die internen Prozesse.
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Unterstützende Führungskräfte
Führungskräfte spielen bei der Förderung der internen Mobilität eine zentrale Rolle. Sie sind oft die ersten, die Talente erkennen. Es ist wichtig, dass Führungskräfte ihre Mitarbeiter zur Teilnahme an internen Mobilitätsprogrammen ermutigen und sie bei der Erkundung neuer Möglichkeiten aktiv unterstützen. Schulungen und Coaching für Führungskräfte können dazu beitragen, diese Fähigkeiten zu stärken und eine Kultur der Unterstützung und Ermutigung zu schaffen.
Integration von Technologie
Moderne HR-Technologien spielen eine wichtige Rolle bei der Förderung der internen Mobilität. Kompetenzorientierte Talentmanagementsysteme, Lernplattformen und interne Jobbörsen ermöglichen es Unternehmen, geeignete Talente schnell zu identifizieren und Mitarbeitern gezielt Karriereoptionen anzubieten. Mithilfe von Datenanalysen können Unternehmen zudem die Fähigkeiten und Potenziale ihrer Mitarbeiter besser einschätzen und ihnen individuelle Entwicklungsmöglichkeiten bieten.
Berücksichtigung der rechtlichen Rahmenbedingungen
Bei der Förderung der internen Mobilität sind auch rechtliche Aspekte zu beachten. Es gibt keinen expliziten Anspruch der Beschäftigten auf interne Mobilität. Das bedeutet, interne Mobilität ist eine strategische Entscheidung des Unternehmens und kein Rechtsanspruch der Beschäftigten. Diese können sich jedoch über Betriebsräte und Personalabteilungen aktiv für mehr Transparenz und faire Zugangsbedingungen zu internen Mobilitätsprogrammen einsetzen.
Darüber hinaus gibt es gesetzliche Regelungen zur Weiterbildung, die genutzt werden können. Bildungsurlaubsgesetze und das BetrVG bieten Rahmenbedingungen, die Weiterbildungsmaßnahmen unterstützen. Betriebsräte haben hier Mitbestimmungsrechte.
Interne Stellenausschreibung
Ein privater Arbeitgeber ist grundsätzlich nicht verpflichtet, eine zu besetzende Stelle zunächst intern auszuschreiben. Er kann die Stelle direkt über eine externe Ausschreibung besetzen oder auf Initiativbewerbungen oder Empfehlungen aus seinem Netzwerk zurückgreifen.
Eine Ausnahme besteht jedoch, wenn der Betriebsrat gem. § 93 BetrVG verlangt, dass freie Stellen zunächst intern ausgeschrieben werden. Diese Regelung gilt jedoch nicht für leitende Angestellte. Wird eine interne Ausschreibung verlangt, kann sich der Arbeitgeber nicht einfach darauf berufen, dass keine internen Bewerbungen zu erwarten sind.
In diesem Fall muss der Arbeitgeber die Stelle intern ausschreiben und dabei bestimmte Anforderungen an die Ausschreibung beachten, wie z. B. eine klare Darstellung der Tätigkeit und des Anforderungsprofils. Die Ausschreibung muss allen Mitarbeitern zugänglich sein, damit sie sich informieren und bewerben können. Zudem darf der Arbeitgeber keine unterschiedlichen Anforderungen an interne und externe Ausschreibungen stellen, da dies gegen den Grundsatz der Chancengleichheit verstoßen könnte.
Weiterbildung und Bildungsurlaub
Das BBiG bietet eine Grundlage für die berufliche Weiterbildung. Arbeitgeber sind jedoch nicht grundsätzlich verpflichtet, eine Weiterbildung zu finanzieren oder zu ermöglichen, es sei denn, es existiert eine spezifische Vereinbarung oder tarifvertragliche Regelungen, die dies vorsehen.
In 14 von 16 Bundesländern besteht nach den jeweiligen Bildungsurlaubsgesetzen ein Anspruch auf Bildungsurlaub. Dieser Anspruch ermöglicht es Arbeitnehmern, sich für eine gewisse Anzahl von Tagen pro Jahr freistellen zu lassen, um an Weiterbildungsmaßnahmen teilzunehmen. Die Dauer des Bildungsurlaubs beträgt in den meisten Bundesländern fünf Tage pro Jahr. Von dieser Regelung ausgenommen sind Bayern und Sachsen – die einzigen Bundesländer, in denen es keinen Rechtsanspruch auf Bildungsurlaub gibt. Die genauen Regelungen und Bezeichnungen (z. B. „Bildungsfreistellung“ oder „Bildungszeit“) variieren je nach Bundesland.
Das AGG schützt Mitarbeiter davor, aufgrund von Rasse, Geschlecht, Religion, Behinderung, Alter oder sexueller Orientierung benachteiligt zu werden. Dies kann auch den Zugang zu Weiterbildungs- und Entwicklungsprogrammen einschließen, was entsprechend zu beachten ist.
Fazit
Die Mitarbeiter bzw. die Mitarbeiterzufriedenheit ist immer die wichtigste Ressource eines Unternehmens, unabhängig von der Wirtschaftslage. In dieser Zeit, in der von den Arbeitgebern mehr denn je Flexibilität und von den Unternehmen mehr denn je Anpassungsfähigkeit gefordert wird, ist die interne Mobilität jedoch ein entscheidender Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit.
Durch eine individuelle und durchdachte Karriereplanung können Unternehmen ihre Mitarbeiter binden und fördern, ihre wirtschaftliche Situation verbessern und ihr Innovationspotenzial langfristig sichern. Talentmanagement ist jedoch kein Selbstläufer. Das Management muss in Aus- und Weiterbildung investieren und auf technologische Unterstützung setzen, um das Thema Mobility Management auch im Hinblick auf die gesetzlichen Anforderungen optimal umsetzen zu können.
Andreas Irmer
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